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Impostor-Syndrom: Bin ich insgeheim ein Hochstapler?

Kurz vor Feierabend klingelte mein Telefon und eine männliche Stimme ertönte: „Ich habe lange mit mir gerungen, Frau Mende, ob ich Sie anrufe. Es kann aber so nicht mehr weitergehen. Ich brauche dringend Unterstützung.“ Worin glauben Sie denn, dass Sie Unterstützung brauchen, entgegnete ich dem Anrufer, der sich als Bürgermeister vorstellte. „Ach wissen Sie, ich habe ständig das Gefühl, meinem Amt nicht gewachsen zu sein, als Hochstapler aufzufliegen. Dabei mache ich den Job schon in zweiter Amtspersiode und eigentlich läuft alles recht gut. Dennoch kann ich nicht abschalten und fühle mich ständig unter Strom.“

Sie arbeiten unermüdlich – und fürchten ständig, als Betrüger entlarvt zu werden. Der Begriff dafür: Impostor, also Hochstapler. 

Liegt hier ein Fall von Impostor vor?

Nach unserem Gespräch, dem noch weitere folgen sollten, hatte ich den leisen Verdacht: Impostor. Hin und wieder Selbstzweifel kennt jeder. Doch wenn man trotz Erfolgen überzeugt ist, anderen etwas vorzumachen, hat das einen Namen: Impostor-Syndrom. Ein Impostor ist ein Blender und Hochstapler. Und das Impostor-Syndrom lässt Betroffene genau unter dieser Vorstellung leiden: Ich habe den Erfolg doch nicht verdient und gebe nur vor, etwas zu können.

Das Impostor-Syndrom ist ein Persönlichkeitsmerkmal, keine psychische Erkrankung, das wie bspw. Schüchternehit von wenig bis stark ausgeprägt auftreten kann.

Was steckt hinter dem Hochstapler-Phänomen?

Unter dem Impostor-Syndrom leiden meist leistungsstarke Personen, die ihre objektiven Erfolge nicht ihren eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen zuordnen. Anhaltende Selbstzweifel und die ständige Angst, als Betrüger oder Hochstapler entlarvt zu werden, sind zwei Anzeichen des Impostor-Syndroms. Die Betroffenen schreiben ihre Erfolge häufig externen Faktoren, wie Glück, Zufall oder Hilfe von anderen, zu und führen Rückschläge auf ihre berufliche Unzulänglichkeit zurück.

Den Begriff „Hochstapler-Syndrom“ prägten die Psychologinnen Dr. Pauline R. Clance und Suzanne A. Imes erstmals 1978. In einem Artikel beschrieben sie ihre Beobachtung, dass sich viele erfolgreiche Frauen als Hochstaplerinnen fühlten. Sie glaubten, ihre beruflichen Leistungen würden überschätzt. Neuere Forschungen konnten jedoch feststellen, dass das Hochstapler-Syndrom bei Männern und Frauen in vielen beruflichen Situationen vorkommt.

Wie äußert sich das Impostor-Phänomen?

Ein ganz klassisches Beispiel aus meiner Coaching-Praxis ist, dass Klienten und Klientinnen zu mir kommen, wenn es eigentlich gerade richtig gut läuft. Ein erfolgreiches Projekt ist abgeschlossen, ein großes Vorhaben konnte durch die Gremien gebracht werden es gab oder es steht vielleicht sogar ein Karriereschritt in Aussicht.

Doch dann meldet sich diese fiese Stimme im Kopf und sagt: Stopp! So gut bin ich gar nicht, habe ich das überhaupt verdient, es ist doch nur Zufall, dass das geklappt hat. Dazu kommt ein Katastrophendenken nach dem Motto: Morgen fliegt das alles auf und dann werden alle merken, dass ich gar nichts kann.

Hauptmerkmal von Impostor ist, dass Betroffene so stark von Selbstzweifeln geplagt sind, dass sie sich ihren eigenen Erfolg nicht zutrauen. Sie glauben auch, sie hätten ihn sich nicht verdient. Und so fühlt er sich unwirklich, gar falsch an.

Was unterscheidet normale Selbstzweifel vom Imposter-Phänomen?

Ob man am Hochstapler-Syndrom leidet bemerkt im Laufe der Zeit. Zu Beginn einer neuen Aufgabe oder Position ist es normal, zunächst unsicher zu sein und sich zu fragen, ob man sich der Situation gewachsen fühlt. Nach ersten Erfolgen stellt sich Gelassenheit ein nud Selbstzweifel nehmen ab. Beim Impostor werden die Selbstzweifel aber nicht weniger – im Gegenteil. Mit zunehmendem Erfolg steigt der Druck und eigene Anspruch verbunden mit dem Gedanken: Mein Erfolg war nur Zufall und keine eigene Leistung.

Über 80 % der berufstätigen Menschen kennen das Impostor-Syndrom aus eigener Erfahrung. In mehr als 30 % der Fälle sind seine Auswirkungen mit starkem Stressempfinden, Einschränkungen und Alltagsbelastungen verbunden.

Folgende Gefühle können auf ein Hochstapler-Syndrom hinweisen:

  • Das Gefühl, dass berufliche Erfolge nur durch Glück und nicht durch eigene Leistungen erreicht wurden
  • Die Angst, als Versager oder inkompetent wahrgenommen zu werden
  • Das Gefühl, dass Mehrarbeit und Überstunden die einzigen Wege sind, um die Erwartungen zu erfüllen
  • Das Gefühl, Aufmerksamkeit und Wertschätzung für eigene Leistungen nicht verdient zu haben
  • Selbstabwertung eigener Leistung
  • Hemmung, Lob anzunehmen

Das Gefühl, ein Hochstapler zu sein, kann nicht nur den (Arbeits-)Alltag erschweren. Es kann auch gesundheitliche Folgen haben. So kann das Impostor-Syndrom zu einem Rückgang der Arbeitsleistung und Arbeitszufriedenheit führen und das Risiko für Bluthochdruck und Burnout erhöhen kann. Es gilt auch als möglicher Auslöser von Angststörungen und Depressionen.

Führen die mit dem Impostor-Syndrom einhergehenden Gefühle zu einem hohen Leidensdruck, ist es ratsam, sich psychotherapeutische Hilfe zu suchen.

Wie entsteht das Imposter-Phänomen?

Wodurch das Phänomen ausgelöst wird, ist nicht gänzlich geklärt. Es ist wahrscheinlich, dass der biografische Hintergrund eine tragende Rolle spielen könnte – zum Beispiel, wenn Eltern die Bedeutsamkeit von Leistung und Erfolg ihrer Kinder stark in den Vordergrund stellen. Zudem fällt es Kindern schwerer, ihre Leistung realistisch einzuschätzen, wenn Eltern unterschiedlich auf Erfolge reagieren – beispielsweise mal mit Kritik und mal mit übermäßigem Lob.

Neben der Erziehung spielt Perfektionismus womöglich eine weitere Rolle bei der Entwicklung eines Impostor-Syndroms. Betroffene denken häufig, dass jede Aufgabe, die sie anpacken, perfekt erledigt werden muss, und sie bitten selten um Hilfe. Sie haben hohe, meist unrealistische Ziele und Maßstäbe, an denen sie sich selbst messen, und zeigen kontraproduktive Gedanken und Verhaltensweisen, wenn sie diesen nicht gerecht werden. Perfektionismus kann dabei zwei typische Reaktionen im Alltag herbeiführen: Entweder die betroffene Person zögert die anstehenden Aufgaben hinaus, aus Angst, diese nicht zur vollsten Zufriedenheit ausführen zu können. Oder die Person bereitet die Aufgabe mit hohem Arbeits- und Zeitaufwand vor – was Überlastung zur Folge haben kann.

Ist eine Person eher introvertiert oder hat ein geringes Selbstwertgefühl, entwickelt sich eher ein Impostor-Syndrom.

Wie gelingt es, aus dem Imposter-Stress auszusteigen?

Ich skizziere kurz, welche Schritte ich mit meinem Klienten aus dem Anfangsbeispiel gegangen bin. Ziel war es, dem Impostor-Empfinden als solchem auf den Grund zu gehen, es zu überwinden, das Stressempfinden und die Alltagsbelastung spürbar zu senken. Auch haben wir an der Stärkung des Selbstwertgefühls, der Stressregulation und der Selbstsicherheit gearbeitet.

Die konkreten Schritte dem Imposter-Gefühl entgegenzuwirken sahen – grob vereinfacht – folgendermaßen aus:

  • Bewusstmachen der Gedanken, um damit zu arbeiten.
  • Über die Gedanken sprechen und sie validieren. So kann sich die Lücke zwischen Selbst- und Fremdbild schließen.
  • Erfolgstagebuch führen, in dem mein Klient Erfolge, Komplimente und Feebacks sich sprichwörtlich vor Augen führt. Darin kann er blättern, wenn Selbstzweifel aufkommen wollen.

Meinem Klienten ist es gelungen, einen passenden Umgang mit seinen Selbstzweifeln zu finden und mehr Sicherheit in seiner Amtsausführung zu spüren. Auch hat sein Stressempfinden, seine Schlafprobleme und die innnere Anspannung deutlich abgenommen, wie er mir in einem späteren Telefonat mitteilte.

Sie plagen Selbstzweifel und haben das Gefühl am Imposter-Syndrom zu leiden?

Dann nehmen Sie gerne Kontakt mit mir auf und wir sprechen über Ihre Situation. Gerne unterstütze ich Sie darin, einen für Sie passenden Umgang zu finden, damit Sie Ihren beruflichen und privaten Alltag mit mehr Gelassenheit und Sicherheit erleben. Vereinbaren Sie einfach direkt ein unverbindliches Erstgespräch . Ich stehe Ihnen hilfreich zur Seite!