„Das schlimmste sind für mich die Abende alleine zuhause. Die Stille ist einfach unterträglich. Da ist niemand, der mich in den Arm nimmt, mir zuhört oder einfach nur da ist und mich von diesem Stressempfinden runterbringt. Das fühlt sich verdammt schmerzhaft an – und stresst mich zusätzlich. Und dazu zu wissen, dass ich am nächsten Tag wieder so tun muss, als sei alles in bester Ordnung, macht mir Druck und Stress.“ So mein Klient, Kommunlapolitiker, in einem unserer Gespräche.
Einsamkeit gehört zu den tabuisiertesten Themen, die ich aus meinem Fachgebiet kenne. Denn es wird oft gleichgesetzt mit sozialem Versagen, was mit starken Gefühlen von Scham einhergeht. Gleichzeitig rückt es zunehmend in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung und gewinnt an Relevanz. Denn seine wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen sind immens. Für den bekannten Psychotherapeuten und Hirnforscher Manfred Spitzer, ist Einsamkeit eine unerkannte Krankheit: schmerzhaft, ansteckended und tödlich. Seinen Erkenntnissen zufolge ist Einsamkeit das Lebensrisiko Nummer eins. Denn Einsamkeit ist deutlich gefährlicher als andere Krankheiten – sie ist die Todesursache Nummer eins in den westlichen Gesellschaften.
Einsamkeit ist der stärkste soziale Stressfaktor, den wir kennen. Soziale Stressoren begünstigen in hohem Maße die Entstehung von körperlichen und psychischen Erkrankugen. Denn chronisches Stressempfinden führt zu einer dauerhaft (zu) starken Ausschüttung der Stresshormone Cortisol, Adrenalin und Noradrenalin , was das Immunsystem in hohem Maße schwächt.
Das Gefühl von Einsamkeit geht mit einem hohen Maße an schambehafteten Emotionen einher. Deshalb es für viele Menschen noch immer ein Tabu ist, darüber zu sprechen. Vielleicht aus Selbstschutz, sich den sozialen Mangel (noch) nicht einzugestehen oder aus einem Gefühl der Macht- und Hiflosigkeit heraus. Wir leben in einer Welt, die zunehmend von Flexibilität und Leistungsdenken geprägt ist. Gleichzeitig ist unser wichtigstes Bedürfnis das nach zuverlässiger Bindung und echter Zugehörigkeit.
In 2021 gab beinahe jeder Zweite in Deutschland an, sich zumindest manchmal einsam zu fühlen. Das heißt, es fehlt den Menschen an verbindlicher und echter Verbindung und Zugehörigkeit zu anderen.
Aus dem Strategiepapier des Bundesfamilienministeriums zur Erforschung von Einsamkeit, 2023
Man könnte meinen, dass in Zeiten von 360-Grad-Kommunikations- und rund-um-die-Uhr Kontaktmöglichkeiten das Einsamkeitserleben rückläufig ist. Das Gegenteil ist der Fall: Zahlen belegen, dass die Nutzung sozialer Medien zu einer Zunahme von Einsamkeit führt. Denn obgleich wir uns nach Austausch sehnen, inszenieren wir uns und kreieren (zu) oft ein optimiertes Abziehbild von uns selbst. Und so verfremden wir uns selbst und verpassen die Chance auf eine authentische Beziehung zu uns selbst und zu anderen.
Die Auswirkungen von Einsamkeit auf die psychische und die körperliche Gesundheit sind äußerst hoch. Betroffen sind vor allem jüngere Erwachsene und ältere Menschen.
Deutsches Ärzteblatt
Unterschied zwischen Einsamkeit und Alleinsein
Einsamkeit ist ein Zustand, der nie selbst gewählt ist. Das Gefühl von Einsamkeit ist negativ und wird durch ein emotional spürbares Defizit ausgelöst, das vergleichbar wie Hunger oder Schmerz wirkt. Einsamkeit wird oft als sozialer Schmerz umschrieben.
Es braucht andere Menschen, um sich einsam zu fühlen, denn entscheidend für Einsamkeit ist das sich ausgeschlossen fühlen von der Gemeinschaft. Einsame Menschen empfinden das eigene Sozialleben als nicht ausreichend.
Einsamkeit ist das Diskrepanzerleben zwischen dem erwünschten Netzwerk sozialer Beziehungen in Anzahl und/ oder Qualität und dem tatsächlichen.
Alleinsein ist ein äußerlich objektiver Zustand und emotional zunächst neutral. Er ist selbstgewählt und wird deshalb positiv – bisweilen sogar als Privileg – empfunden. Zeiten des Alleinseins bieten Raum für Selbstreflexion, Selbstfürsorge und zum Energie tanken.
Risikofaktoren für Einsamkeit
Wie viele und welche Menschen man um sich herum braucht, um sich nicht einsam zu fühlen, ist individuell sehr unterschiedlich. Risikofaktoren für Einsamkeit und Einsamkeitsempfinden können durch standardisierte Fragebögen erhoben werden. Unter anderem zählen dazu:
- Introvertiertheit
- soziale Ängste
- Probleme im Beziehungsaufbau
- rivalisierendes Arbeitsumfeld
- exponierte Position
- Leben ohne Partner
- Scheidung der Eltern
- Leben in einer Großstadt
- Selbstwertprobleme
- mangelnde Selbstliebe
- Arbeitslosigkeit
Einsamkeitsgefühle können ebenso auftreten, wenn Menschen:
- verheiratet sind
- jung sind
- von anderen gemocht werden
- Kinder haben
- in Gesellschaft sind
Gesundheitliche Folgen von Einsamkeit
Die Auswirkungen von chronischer Einsamkeit auf die psychische und die körperliche Gesundheit sind hoch. Gefühle von Einsamkeit und damit einhergehende Stress- und Schmerzgefühle begünstigen Erkrankungen wie
- Depression
- Suchterkrankungen
- Angsterkrankungen
- Übergewicht
- Burnout
- Krebserkrankungen
- Immunschwäche
- Tinnitus
- Schlaganfall
- Demenzerkrankung
Einer Studie von Holt-Lunstad (2015) zufolge ist die Sterblichkeit chronisch einsamer Menschen um 26 Prozent höher; bei Isolation sogar um 29 Prozent und um 32 Prozent bei Alleinlebenden.
Soziale Isolation ist der Studie nach stärker für Sterblichkeit verantwortlich als Rauchen oder Alkoholkonsum!
Soziale Medien: gemeinsam einsam
Einsamkeit ist längst nicht nur ein Problem von älteren, sondern auch zunehmend von jüngeren. Die Nutzung sozialer Medien hat hierauf einen starken Einfluss, denn sie verstärkt das Rückzugsverhalten in die eigenen vier Wände. So erleben Menschen weniger bis keine echten soziale Kontakte mehr. Und so können sich soziale Ängste entwickeln.
Ungesundes Essverhalten, Bewegungsmangel und schlechter Schlaf stehen in Zusammenhang mit Einsamkeit und der Nutzung sozialer Medien.
Daneben beeinträchtigt der Vergleich der eigenen Person mit optimierten Selbstdarstellungen anderer Nutzer das Selbstwertgefühl und führt zu depressiver Stimmung verbunden mit Gedanken wie
- „Ich bin minderwertig“
- „Ich kann mit anderen nicht mithalten“
- „Ich bin uninteresannt“
- „Ich bin langweilig“
- „Ich habe nichts erreicht“
- „Ich bin peinlich“
- „Ich bin anders und nicht ok“
- „Ich bin lächerlich“
Negative Eigenbewertungen durch sozialen Vergleich, verstärken Gefühle wie Angst und Scham – und den sozialen Rückzug.
Einsame Spitze: der unsichtbare Schmerz von Führungskräften
Der Preis des beruflichen Erfolgs scheint für viele Führungskräfte – insbesondere in der Politik – Gefühle von Einsamkeit zu sein. Und das ist nachvollziehbar: Spitzenpositionen werden durch intensive Fokussierung auf Arbeit erlangt. Aber auch für Führungskräfte hat ein Tag nur 24 Stunden und so bleibt (zu) wenig Zeit für Partnerschaft, Familie oder allgemein das Pflegen des sozialen Netzwerks.
Fast die Hälfte aller CEOs fühlt sich einsam. 61 Prozent der Manager sowie 70 Prozent der erstmaligen CEOs erkennen dadurch negative Auswirkungen auf ihre berufliche Leistung.
CEO Snapshot Survey, 2012
Weitere Faktoren, die Einsamkeitserleben in Führungspositionen begünstigen, sind: Macht und hohes Gehalt verbunden mit Misstrauen, Unsicherheit und Zurückhaltung in sozialen Interaktionen. Es wimmelt vor falschen Freunden, während es an menschlicher Nähe, Verbundenheit, Geborgenheit und Vertrautheit mangelt. Vor lauter ambitionierter Ziele und möglicher Angst, sie nicht zu erreichen, vergessen Führungskräfte das Wichtigste: Das managen ihrer privaten Bedürfnisse und damit ihres persönlichen Glücks und ihrer Gesundheit.
Aus dem Dilemma der Einsamkeit können sich Betroffene leider nur selbst befreien, indem Sie in geschütztem Rahmen über Ihre Einsamkeits- und Angstgefühle sprechen.
Kann man Einsamkeit aus dem Leben verbannen?
Leider nein. Einsamkeitsgefühle sind in gewissem Maße normal. Es wird immer wieder Momente geben, in denen wir uns auf uns selbst zurückgeworfen und alleine fühlen. Augenblicke, in denen wir uns ungeliebt, hilflos und völlig isoliert von allen anderen Menschen fühlen. Wir können jedoch etwas dagegen tun, damit aus der gelegentlichen Einsamkeit keine chronische Einsamkeit entsteht: Unseren Fokus auf den Aufbau und Erhalt echter sozialer Verbindungen legen.
Und diesen Weg ist die kommunale Führungskraft mit meiner Untersützung gegangen:
Sie hat allen Mut zusammengenommen und sich dem schmerzvollen Gefühl gestellt. So konnten wir gemeinsam dessen Entstehung erkunden und uns anschauen, was ihr Einsamkeitserleben aufrecht erhält. Mein Klient hat seine sozialen Fähigkeiten, derzeitiges Sozialleben und Ängste und Befürchtungen reflektiert und einen klaren Blick auf das Einsamkeitserleben gefunden. So konnte Sie Stück für Stück klären, welches Ich sich hinter dem Abziehbild verbirgt, welche Bedürnisse es hat und wie sich diese mit der beruflichen Situation vereinbaren lassen. So sind wir gemeinsam den Weg aus der Einsamkeit gegangen und die Führungkraft konnte zu mehr echter Nähe finden.
Sie fühlen sich einsam, möchten darüber reden und einen Weg aus der Einsamkeit finden?
Nehmen Sie gerne Kontakt mit mir auf oder vereinbaren Sie direkt ein Erstgespräch. Gemeinsam klären wir, wie ich Ihnen auf Ihrem Weg aus der Einsamkeit hilfreich zur Seite stehen kann. Ich freue mich auf Ihre Kontaktaufnahme.