„Sie können sich das nicht vorstellen! Da ist einfach nichts. Ich bin innerlich wie erstarrte Lava, wie eingefroren. Ich spüre nichts mehr. Keine Freude, kein Glück, keine Liebe, nichts!“ Mein Klient saß mir mit eingefallenen Schultern, gesenktem Kopf und ohne Regung gegenüber. Ich spürte seine tiefe Verzweiflung und Traurigkeit und brachte mein Empfinden zum Ausdruck. „Seit wann besteht denn diese Erstarrung? Diese innere Leere?“, fragte ich, „und wie darf ich sie mir vorstellen?“
Mein Klient berichtete, dass er seit etwa zwei Jahren eine schleichende Verschlechterung bemerkt. „Es fing damit an, dass ich schnell ermüdete, schlechter schlief und dadurch auch immer erschöpfter und gereizter wurde. Meine Arbeit ging mir zunehmend schwerer von der Hand. Ich fühlte mich völlig überstresst. Zuhause wollte ich einfach in Ruhe gelassen werden. Ich kann Ihnen nicht genau sagen, wann es anfing. Es aht sich so eingeschlichen. Immer weniger Dinge machten mir Freude, es war alles zunehmend zu viel, lästig und anstrengend.“ Und wie ist es heute, erkundete ich weiter. „Heute fühle ich mich wie eine leere Hülle. Einfach leer. Innerlich leer.“
Von Gefühlen abgeschnitten: Das kann dahinterstecken
Das Gefühl der Gefühllosigkeit ist ein Zustand, in dem man keine oder nur sehr schwache Emotionen empfinden kann. Hinter dem Satz „ich fühle nichts“, „ich weiß nicht, was ich fühle“ oder „ich verstehe nicht, was ich fühle“ verbergen sich eine ganze Reihe von möglichen Ursachen. Je nach Kontext gibt er Hinweise auf unterschiedliche Belastungssymptome oder Verdachtsdiagnosen.
Aus Erfahrung können sich Menschen von ihren Gefühlen abgeschnitten oder überwältigt fühlen, wenn sie
- sich in einer depressiven Episode befinden
- eine Lebenskrise erleiden
- einen Verlust erlitten haben
- ein einschneidendes Erlebnis hatte
- unter einer Traumafolgestörung leiden
- langanhaltend Mobbing erleben
- sich in einem Zustand der Erschöpfung (Burnout) befinden
- unter anhaltend chronischem Stress leiden
- sie in eine schwer toxische Beziehung geraten sind
- eine existentielle Krise erleben
Das Gefühl der Gefühllosigkeit ist oft ein Schutzmechanismus, der verhindern soll, dass man von zu starken oder unangenehmen Gefühlen überwältigt wird. Es ist aber auch ein Zeichen dafür, dass etwas im eigenen Leben nicht stimmt. Meist braucht es Hilfe, um wieder Zugang zu seinen Gefühlen zu finden.
Emotionale Leere: Anzeichen einer Depression
Eine Depression geht mit den drei Hauptsymptomen Freudlosigkeit, Interessensverlust und Antriebslosigkeit einher. Die Erkrankung verändert das Denken. Fühlen und Verhalten der Betroffenen. Und: Sie zeigt sich bei jeder Person anders.
Ich schreibe diesen Beitrag auch, um den Mythos auszuräumen, dass Depressionen nur geprägt ist von tiefer Traurigkeit, sozialem Rückzug und Interessensverlust. Im Schatten, neben oder statt der drei Hauptsymptome einer Depression ist meist auch das emotionale Erleben stark beeinträchtigt. Es geht Stück für Stück zurück. Leider wird die innere Leere oft nicht mittelbar als Depression erkannt. Betroffene sind nicht mehr in der Lage, intensive Gefühlsregungen wie Freude, Wut, aber auch Traurigkeit wahrzunehmen.
Das Gefühl der Gefühllosigkeit lässt sich neurologisch so erklären: Während depressiver Episoden wird weniger sogenanntes Noradrenalin produziert. Durch den Mangel an Glückshormonen vernetzen sich die Nervenzellen im Gehirn langsamer, sodass es neue Reize zunehmend schlechter wahrnimmt.
Das Gefühl der Gefühllosigkeit, der inneren Leere, entwickelt sich schleichend und lautlos. Wenn es sich in seiner Ausprägung steigert, ruft es bei den Betroffenen meist Beschämung und Angst hervor. Sind davon Betroffene in einer Beziehung, schämen sie sich dafür, keine Liebe mehr für den Partner/ die Partnerin zu empfinden. Sie schämen sich ebenfalls, dass ein – von außen betrachtet – noch so schönes Ereignis zu keiner inneren Regung führt. Und das macht ihnen Angst. Auch, weil sie keine Idee haben, was sie aus der inneren Erstarrung löst. Es scheint ihnen, die Kontrolle über das Gefühlsleben verloren zu haben. Doch natürlich gibt es hier Mittel und Wege, die ich Ihnen weiter unten aufzeige.
Angst, Scham und Schuld sind eng verbunden mit dem Erleben einer depressiven Episode.
Weitere mögliche Anzeichen einer Depression zu Ihrer Information und der Vollständigkeit halber auf einen Blick:
Depressionen sind eine ernstzunehmende psychische Erkrankung – mit schwerwiegenden Folgen. Mehr als die Hälfte der Suizide in Deutschland sind auf Depressionen zurückzuführen. Es ist daher wichtig, sich schnell Hilfe zu suchen.
- Schlafstörungen
- Verlust der Libido
- Körperliche Beschwerden ohne organische Ursache
- Fehlender Appetit und Gewichtsverlust
- Morgentief und Abendhoch
- Konzentrationsprobleme
- Negative Gedanken
- Angst
- Reizbarkeit
- Vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen
- Schuldgefühle und die Überzeugung, wertlos zu sein
- Psychomotoricshe Hemmung und/ oder starke Unruhe
Depressionen gehören zu den häufigsten und hinsichtlich ihrer Schwere am meisten unterschätzten psychischen Erkrankungen. Man schätzt, dass mehr als jeder Vierte, im Laufe des Lebens zumindest einmal eine depressive Episode erleidet.
Deutsche Depressionshilfe
Emotionale Leere als Traumafolgestörung
Nach traumatischen Erleben leiden die Betroffenen häufig unter emotionalen Veränderungen – von einem Gefühl der Abstumpfung bis hin zu völliger Leere. Insbesondere dann, wenn sie über geringe psychische Schutzfaktoren, ein unzureichendes soziales Netz, fehlende Unterstützung durch nahestehende Bezugspersonen und mangelnde positive Zukunftserwartung verfügen. Bei unverarbeiteten Traumata treten ebenso starke Reizbarkeit, Bindungsprobleme oder der Eindruck, sich von sich und anderen entfremdet zu haben, auf. Zusätzlich leiden die Betroffenen und starken Schamgefühlen und Gefühlen, Schuld zu haben.
Traumata werden grob unterschieden in Typ-I-Trauma, also einmalige Traumaereignisse und Typ-II-Trauma, das sind wiederholte und anhaltende Traumaereignisse unterschieden. Sie sind gravierender als die einmaligen und kurz andauernden.
Über Trauma und Traumafolgestörungen werde ich zeitnah einen ausführlichen Beitrag veröffentlichen und hier verlinken.
Gefühlsblindheit: Das verbirgt sich hiner Alexithymie
Hinter Gefühllosigkeit kann sich auch die sogenannte Alexithymie (auch Gefühlsblindheit oder Gefühlskälte) verbergen. Das ist ein Konzept aus der Psychosomatik und bedeutet, dass betroffene Frauen und Männer Emotionen nicht lesen, differenzieren oder verarbeiten können. Dadurch fühlt sich für Betroffene alles gleich an. Auf andere Menschen wirkt dies gefühlskalt oder unbeteiligt. Auch der Aufbau von Freundschaften oder Liebesbeziehungen wird erschwert oder ist gar unmöglich. Bei Menschen mit Alexithymie häufen sich körperliche Beschwerden, für die oft keine organische Ursache gefunden werden können.
Die Ursachen der Störung sind ebenfalls noch weitgehend unklar. Häufig haben die Betroffenen ein gering ausgeprägte emotionale Intelligenz.
Der Begriff der emotionalen Intelligenz beschreibt die Fähigkeit, die eigenen Emotionen und die Emotionen anderer Menschen richtig wahrzunehmen und zu verstehen.
Bei alexithymen Menschen ist die Gefühlskälte jedoch außerordentlich stark ausgeprägt – stärker, als es das Spektrum der emotionalen Intelligenz zulassen würde. Daher wird davon ausgegangen, dass noch weitere Faktoren als Auslöser eine Rolle spielen. Es wird vermutet, dass die Betroffenen eine emotionslose, abgekühlte und schwierige Kindheit erlebt haben.
Wenn ein Kind mit einer gering ausgeprägten emotionalen Intelligenz in der Familie Gefühlskälte erleidet, kann es das Defizit im eigenen und zwischenmenschlichen Fühlen nicht aufholen. So ist es häufig auch bei fehlender Selbstliebe, die ihren Ursprung in der eigenen Familie haben kann. Im ungünstigsten Fall verstetigt sich der Mangel an Selbstliebe und macht es dadurch unmöglich, einen guten Zugang zu der eigenen Gefühlswelt zu finden.
Nicht zu verwechseln ist Gefühlsblindheit mit anderen Störungen, die ebenfalls gefühlskalt auf andere wirken wie Psychopathie, Narzissmus, Autismus oder Asperger-Syndrom. Denn diese Personen sind meist in der Lage, Gefühle zu erkennen und wahrznehmen.
Wenn die Gefühle schwinden, leidet auch das Umfeld
Es ist nicht nur für die Betroffenen selbst ein schlimmer Zustand, wenn es nicht (mehr) möglich ist, Gefühle zu fühlen. Auch Angehörige leiden sehr unter der Situation, dass alles nur noch freud- und glücklos ist. Sie fühlen sich hilflos, ohnmächtig, machtlos und bisweilen verzweifelt. Sie sehen Ihren Partner, Ihre Freundin, Ihren Sohn oder Ihre Enkelin und können nicht wirklich helfen. Diesen Zustand zu ertragen, ohne eine Idee zu haben, ob und wann er sich ändert, kann Angehörige in eine Krise führen. Deshalb ist es auch für Angehörige wichtig, sich rechtzeitig Unterstützung zu suchen. Sei es in Form von therapeutischen Gesprächen oder Selbsthilfegruppen.
Achten Sie auch auf sich und Ihr Wohlergehen. Denn nur, wenn es Ihnen als Angehörige/r gut geht, können Sie für Ihr Gegenüber Gutes bewirken.
Wie gelingt es, (wieder) zu fühlen?
Darauf habe ich keine pauschale Antwort. Das wäre holzschnittartig und unseriös. Bei Symptomen der Gefühllosigkeit gilt es für mich immer sehr sorgfältig, genau und einfühlsam hinzuschauen, um die Ursache und Zusammenhänge zu erkennen.
Das erfolgt durch eine gründliche Diagnose, zu deren Unterstützung ich auch Fragebögen einsetze. Auf Basis der Verdachtsdiagnose erfolgt eine passgenaue Therapie mit Elementen aus der
- Verhaltenstherapie
- Traumatherapie
- emotionsfokussierten Therapie
- Gesprächstherapie
Zurück zu meinem Klienten aus dem Anfang
Im Falle meines Klienten verbarg sich hinter der Symptomatik der inneren Leere eine Traumafolgestörung, die sich aus einer lieblosen Kindheit mit abwesendem Vater und einer überstrengen, rigiden Mutter entwickelte. Das Gefühl der inneren Leere und weiterer Symptome zeigte und verschlechterte sich nach der Geburt des zweiten Kindes, eines Sohnes.
Die Geburt hat die unverarbeiteten Wunden seiner Kindheit wieder zum Vorschein gebracht und mein Klient war von den schmerzhaften Gefühlen wie Ohnmacht, Unverständnis, Ablehnung und Hilflosigkeit überflutet. In unserer Zusammenarbeit ist es gelungen
- die überbordenden Gefühle zuzulassen
- die aaufkommenden Gefühle zu sortieren
- die Verantwortung dafür den Eltern zu übergeben
- Scham- und Schuldgefühle zu überwinden
- innere Sicherheit und Stabilität zu entwickeln
- Techniken der Emotionsregulation zu erlernen
- alte von neuen Gefühlen unterscheiden zu lernen
- die Vergangenheit und die Umstände in der Ursprungsfamilie zu akzeptieren
- achtsam auf seine eigene Familie zu blicken
- das Selbstwertgefühl zu stärken
- das Stressystem zu regulieren
- strukturgebende und Kraft spendende Rituale zu entwickeln
- wieder Gefühle wie Stolz, Glück und Freude empfinden zu können
- neue Zuversicht zu finden
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