„Zwei Jahre habe ich alles, wirklich alles hinten angestellt, um das Projekt zu einem erfolgreichen Abschluss zu führen! Denn dafür wurde mir eine Beförderung in Aussicht gestellt. Aber, nachdem das Ziel erreicht war, dann das: Nicht ich sondern meine Kollegin wird befördert. Dabei hat die noch nie ein großes Projekt geleitet“, so eine Frau, Projektleiterin in einem Forschungsinstitut, in unserem telefonischen Erstgespräch. Sie spürt eine tiefe Kränkung, so mein Gedanke, nachdem ich die Situation geschildert bekam. Die Frau schien mir im Selbstwertgefühl erschüttert, fassunglos und wütend – auf sich selbst und alle anderen. „Wie konnte ich das nur mit sich machen lassen, warum war ich so blöd und wie schaffe ich es, da wieder rauzukommen?“
Bevor ich darauf eingehe, welchen Weg wir im Führungskräfte-Coaching eingeschlagen haben, ziehe ich das Bild zunächst etwas größer.
Die Macht der Kränkung
Trotz seiner enormen gesundheitlichen Bedeutung ist Kränkung weitgehend tabuisisert. Kränkungen trüben das Lebensglück, lösen vielfaches Leid aus, stoßen Menschen in Bitternis und bestimmen viele Schicksale.
Nichts beeinflusst Stimmung und Motivation, nichts Befindlichkeit und Lebensqualität, nichts unser Selbstwertgefühl so sehr wie eine Kränkung.
Nicht umsonst haben die Wörter „Kränkung“ und „krank“ denselben Wortstamm. Was kränkt, macht krank, was kränkt löst Krisen aus. Eine erlebte und unverarbeitete Kränkung ist für den Betroffenen sowohl körperlich als auch seelisch spürbar.
Da Kränkungen uns im Innersten treffen, erleben wir Sie als Generalangriff auf unser Selbst und unsere Werte. So verwundert es kaum, dass wir uns ihrer zermürbenden Kraft kaum gewachsen fühlen. Kränkungen führen als Angriff auf das Selbtbild oft zu Krisen. In diesen psychischen Notsituationen ist nichts mehr so, wie es war. Das führt zu tiefer Verunsicherung und Zweifel – vor allem an uns selbst.
Kränkungen sind in unserem universell Leben verbreitet und stellen das zwischenmenschliche Problem schlechthin dar. Sie erweisen sich als tieferer Grund vieler psychischer, ja sogar körperlicher Krankheiten. Kränken und Gekränktheit sind die Ursachen der meisten menschlichen Übel.
Reinhard Haller, österr. Psychiater und Psychotherapeut
Was ist eine Kränkung?
Kränkung bedeutet, dass unsere Gefühle, oft auch unser gesamtes Selbstwertempfinden, durch eine andere Person verletzt werden. Der Betroffene nimmt eine Aussage oder eine Handlung persönlich. Er fühlt sich gekränkt und reagiert entsprechend beleidigt, eingeschnappt oder mit Gegenangriff. Wer gekränkt wird, fühlt sich tief im Innersten – seinem Selbst – getroffen und empfindet das Erlebte als soziale Ablehnung seiner Person.
Kränkung ist eine Art emotionaler Verletzung, die durch Worte oder Handlungen hervorgerufen wird. Dies kann bewusst oder unbewusst geschehen, entmutigen und Selbstvertrauen herabsetzen.
Wie kommt es zu einer Kränkung?
Kränkungen haben viele Ursachen wie beispielsweise
- Abwertung
- fehlende Anerkennung
- unzureichende Wertschätzung
- Ausgrenzung
- Mobbing
- Kritik
- Zurechtweisung
- Ignorieren
- Grenzverletzungen
- unerfüllte Erwartungen
Es ist auf den ersten Blick oft schwer zu erkennen, was kränkt. Es ist aber wichtig zu wissen, dass Kränkungen schwerwiegende und sehr reale Folgen haben und unverarbeitet in Verbitterung enden können. Daher gilt es die emotionale Verletzung immer anzuschauen und aufzulösen.
Kränkungungserleben drückt sich auch durch Synonyme aus wie Angriff, Affront, Beleidigung, Bloßstellung, Demütigung, Ehrverletzung, Herabwürdigung, Schmähung, Verunglimpfung.
Worin zeigt sich Gekränktheit?
Eine Kränkung ist mit Gefühlen verbunden wie
- Hilflosigkeit
- Wehrlosigkeit
- Fassungslosigkeit
- Minderwertigkeit
- Wertlosigkeit
- Schutzlosigkeit
Das Gefühl von Kränkung ist vielfältig und reicht von Schmerz und Angst über Scham bis zu Zorn und Wut.
Da sich viele Betroffene nicht in der Lage fühlen, diese starken und überbordenden Gefühle anzunehmen – auch weil sie ihre eigenen Emotionen schwer benennen und einordnen können -, neigen sie dazu, die negativen Emotionen wie Trauer oder Aggression zu verdrängen.
Wer sich gekränkt fühlt, empfindet sein Gegenüber als hinterhältig, brutal und rücksichtslos: Und das ist auch der Grund, warum eine Kränkung die Macht hat, zwischenmenschliche Beziehungen zu zerstören. Auf Menschen, die unser Selbstwertgefühl angreifen, reagieren wir mit Beleidigtsein, Rückzug und Rachegedanken. Das Problem ist: Auf diese Weise kann eine Kränkung nicht oder kaum verarbeitet werden und so wird die Kränkung zur dauerhaften Belastung für Beziehungen – und einen selbst.
Kränkung kann nur verarbeitet werden, wenn das Geschehene akzeptiert, ohne es Gutzuheißen, und losgelassen werden kann.
Kränkung am Arbeitsplatz
Kränkungen am Arbeitsplatz zeigen sich in Form von
- lautem Anschreien
- beleidigenden oder herabsetzenden Kommentaren
- Gerüchte verbreiten
- schikanöses Verhalten
- vor anderen lächerlich gemachet werden
- Meinungen ignorieren oder abweisen
- Mobbing
- Karrierewege ausbremsen
- keine Wertschätzung ausdrücken
- Leistungen nicht anerkennen
Kränkungen am Arbeitsplatz können schwerwiegende Folgen nach sich ziehen. Sie beeinträchtigen nicht nur die Motivation, Leistungs- und Einsatzbereitschaft, sie sind auch ein Hauptgrund für Kündigungen. Denn Menschen verlassen nicht die Firma, sondern sie verlassen Menschen, die ihnen nicht guttun.
Auch führen emotionale Verletzungen zu innerem Stresserleben, aus dem sich psychische Folgebelastungen wie Ängste. Schlafstörungen, psychosomatische Beschwerden wie Tinnitus, Herz- und Kreislaufprobleme, Magen-Darmerkrankungen oder gar depressive Symptomatiken entwickeln können.
Kränkung und Selbstwertgefühl
Kränkungen nagen immer am Selbstwert. Sie stellen das Selbstwertgefühl auf die Probe, da sie das Selbstbild mit den dahinterliegenden Werten, Lebensregeln und Überzeugungen angreifen. Daher ist es kaum verwunderlich, dass Menschen mit einem geringen Selbstbewusstsein, wenig Selbstvertrauen und unterentwickelter Selbstwirksamkeitserwartung empfindlicher und leichter zu kränken sind als solche, die ein starkes Selbstwertgefühl spüren.
Um eine Kränkung zu überwinden ist es unerlässlich, die Säulen des eigenen Selbstwertgefühls zu kennen und so das Selbstwertempfinden spürbar zu stabilisieren.
Was ist eine narzisstische Kränkung?
Eine besondere Form der Kränkung ist die narzisstische Kränkung. Sie ist eine krankhafte Ausprägung der Kränkungsfolgen. Ein narzisstischer Mensch ist überzeugt von seiner enormen Wichtigkeit. Er hält sich für besser, klüger, schöner und wichtiger als andere Menschen und erwartet dafür entsprechende Anerkennung und Bewunderung von seinem Umfeld. Diese Idee der Besonderheit und Großartigkeit ist jedoch nicht Ausdruck eines gesunden Selbstbewusstseins, sondern vielmehr die Kompensation eines ausgeprägten Minderwertigkeitsgefühls. Bleibt nun die erwartete Bewunderung von außen aus oder wird die Einzigartigkeit des Betroffenen gar offen bezweifelt, fühlt sich ein Narzisst tief verletzt und gekränkt und reagiert bei gefühlter Kränkung besonders emotional – mit starker Wut, Aggression, Abwertung bis hin zu Vernichtung des Gegenüber und Suizid.
Wie kann eine Kränkung überwunden werden?
Mit meiner Klientin habe ich ähnliche Schritte durchlaufen, wie ich sie im folgenden skizziere:
Zunächst gilt es sich einzugestehen, dass man gekränkt ist – und das ist gar nicht so leicht, wie es klingen mag, da es die Auseinandersetzung mit dem eigenen Selbstbild erfordert. Anschließend hilft es Abstand zum Geschehen zu gewinnen, um den Tunnelblick wieder weiten zu können. Die folgenden Schritte können wie folgt skizziert werden:
- in einer vertrauensvollen Beziehung über die Kränkungsgefühle zu sprechen. Dazu ermutige ich Sie!
- die Bearbeitung des lebensgeschichtlichen Hintergrunds und seiner wunden Punkte
Der nächste Schritt ist die unterstützende Begleitung für die Bearbeitung der Kränkungssituation, damit es gelingt:
- sich der Art der Emotionen und Kränkungsreaktion bewusst zu werden
- Abstand von der Kränkungsreaktion zu gewinnen
- das Erlebte von der emotionalen auf die sachliche Ebene zu bringen
- eine neue Perspektive einnehmen zu können
- in Kontakt und in den Dialog mit der Person zu gehen, von der man sich gekränkt fühlt
- das eigene Selbstwertgefühl stärken, um weniger verletzbar zu werden
- Mitgefühl und Versöhnung mit sich selbst zu entwickeln
- die Kränkung loslassen und vergeben zu können
Das Gespür für die eigene Kränkbarkeit und das Kränken anderer, das Be- und Verarbeiten alter Wunden sowie das Entwickeln eines starken Selbstwertgefühl bieten die beste Gewähr für den richtigen Umgang mit Kränkungen.
Ich unterstütze Sie darin, Kränkungsgefühle zu überwinden
Vereinbaren Sie dazu einfach ein unverbindliches Erstgespräch, in dem wir uns kennenlernen und über Ihre Situation sprechen. Gerne helfe ich Ihnen, den für Sie passenden Weg einzuschlagen.